08.04
2022
BGH 15.02.2022 – VI ZR 937/20 – Keine „taggenaue Berechnung“ von Schmerzensgeld

Der BGH hat durch Urteil vom 15.02.2022 die sog. taggenaue Berechnung eines Schmerzensgeldes durch das Oberlandesgericht Frankfurt am Main verworfen. Der Kläger hatte nach einem Verkehrsunfall bei 13 stationären Aufenthalten insgesamt ca. 500 Tage in Krankenhäusern verbracht. Das Oberlandesgericht hatte zur Berechnung des Schmerzensgeldes anhand eines durchschnittlichen Einkommens in der Bundesrepublik Tagessätze in Prozentsätzen hierzu je nach Art der Einrichtung festgelegt und unter anderem daraus die Schmerzensgeldhöhe festgelegt.

Der BGH hat jene Entscheidung aufgehoben und zur erneuten Entscheidung an das Gericht zurückverwiesen, da jene Art der Berechnung zu schematisch wäre und gewichtige Punkte bei der Bewertung des individuellen Leids außer Acht lasse, wie z.B. die Art der Verletzung und deren Behandlung.

Der BGH betonte, dass für die Höhe eines Schmerzensgeldes im Wesentlichen die Schwere der Verletzungen, das durch diese bedingte Leiden, dessen Dauer, das Ausmaß der Wahrnehmung der Beeinträchtigung durch den Verletzten und der Grad des Verschuldens des Schädigers maßgebend sei. Dabei gehe es nicht um eine isolierte Schau auf einzelne Umstände des Falles, sondern um eine Gesamtbetrachtung aller Umstände des Einzelfalls. Diese habe der Tatrichter zunächst sämtlich in den Blick zu nehmen, dann die fallprägenden Umstände zu bestimmen und diese im Verhältnis zueinander zu gewichten. Dabei ist in erster Linie die Höhe und das Maß der entstandenen Lebensbeeinträchtigung zu berücksichtigen. Auf der Grundlage dieser Gesamtbetrachtung ist eine einheitliche Entschädigung für das sich insgesamt darbietende Schadensbild festzusetzen, die sich jedoch nicht streng rechnerisch ermitteln lässt.

Gesetzestext

§ 253 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB)

(2) Ist wegen einer Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung Schadensersatz zu leisten, kann auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine billige Entschädigung in Geld gefordert werden.

§ 287 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO)

(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. (…)

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